Das Doppelleben in der Vergangenheit: Dinge als Erinnerungen
Erinnerungsstücke spielen für viele Menschen eine große Rolle. Der geliebte Teddy, der erste Liebesbrief, ein Schal aus dem unvergesslichen Urlaub in Asien. Sie versetzen uns in die Vergangenheit, lassen Emotionen wie Geborgenheit und Abenteuer wach werden. Schwierig wird es allerdings, wenn diese Erinnerungsstücke so zahlreich werden, dass sie ein einziges Meer der Erinnerung werden. Ein solches „Meer“ kann die Gegenwart verschlucken, weil es keinen Platz für das Heute lässt. Ihr heutiges Ich ist aber bereits die Summe Ihrer Erfahrungen. Geben Sie sich den Raum, den Sie verdienen. Leben Sie Ihre Leben heute und nicht in Gedanken das Leben von gestern.
Schwierig wird es, wenn auch die alltäglichen Gegenstände um uns zu einem „Archiv“ werden: die ersten Schlittschuhe (und auch noch die aus den Jahren danach), die Vorhänge aus der ersten Wohnung, Vasen, Geschirr, mein erster Fernseher und viele andere Dinge. Sie hatten in ihrer Zeit eine Bedeutung und eine Funktion. Aber heute sind sie nicht mehr einsetzbar. Wenn Sie erst nach einem Einsatzort oder einer -gelegenheit aktiv suchen müssen, dann ist es auch Zeit, diese Dinge loszulassen. Vieles dürfte auch veraltet sein und kann eigentlich nicht mehr sinnvoll benutzt werden.
Schaffen Sie Distanz
Diese Stücke aus der Vergangenheit wieder in ihrer reinen Funktion zu sehen, ist dabei eine hilfreiche Übung. Diese Distanz können Sie erreichen, wenn Sie zum Beispiel auf Kleinanzeigen-Portalen nach genau diesen Dingen suchen und sich überlegen, ob Sie heute bereit wären, sie wieder ins Haus zu lassen. Der Reiz von 30 Jahre alten Schlittschuhen oder einem 20 Jahre alten Röhrenfernseher dürfte eher gering sein.
Das alternative Doppelleben: Dinge als Anker für ein „Fantasieleben“
Die Yogamatte, Stoffe, Bücher, das Puzzle, die neuen Joggingschuhe, Wolle, das Radio zum Selberbauen, Malfarben, Bastelsets, ein großes Geschirrservice usw. Die Anschaffung dieser Dinge erfolgt aus dem Impuls, weitere Aktivitäten im Leben unterzubringen. So unterschiedlich sie sind, haben sie eines gemeinsam: sie benötigen Zeit. Zeit, die wir momentan nicht haben, aber gerne hätten. Zeit, die wir mit anderen Aufgaben und Pflichten verbringen. Zeit für die Arbeit, Zeit für Kinder oder Angehörige, Zeit für den Haushalt und den Garten usw. Und diese Zeit ist oftmals schon knapp bemessen, oft reicht sie kaum.
Die Gegenstände werden dann zum Anker für das, was man mal tun könnte. Sie stehen bereit für den Augenblick, wenn es losgehen soll: mit den täglichen Yogaübungen, mit dem abendlichen Stricken oder mit dem Familienfest. Aber warum kommt es dann nur selten dazu? Weil es eigentlich nicht um die Tätigkeit selbst geht, sondern um die Sehnsucht nach einem Gefühl. Das kann zum Beispiel das Gefühl sein, wieder selbstbestimmt seine Zeit verbringen zu können, oder wieder mehr Energie zu haben. Vielleicht auch die Sehnsucht nach Gemeinschaft in der Familie.
Kaufen ist nicht Machen
Und vielleicht wäre in diesem Augenblick, wenn die Yogamette gekauft wird, Yoga auch genau das Richtige, wenn es eine Priorität bekommen würde. Aber häufig bleibt es beim ersten Schritt, dem reinen Erwerb der Dinge. Und weil es mit dem Yoga nicht geklappt hat, ist vielleicht Joggen das, was Sie brauchen. Oder doch Stricken? So kommt ein Gegenstand nach dem anderen in die Wohnung, die alle nicht mehr als eine Idee sind, was Sie tun könnten. Wenn Sie es dann nicht tun, liegt es meistens daran, dass keine Zeit da ist. Entweder, weil Sie wirklich schon zu viel zu tun haben, oder, weil Sie der Sache keine Zeit einräumen.
Bevor Sie etwas erwerben, um damit Zeit zu verbringen, sollten Sie sich konkret überlegen, wann und wie es in Ihr Leben passt. Stellen Sie sich das möglichst genau vor, planen Sie es. Tragen Sie sich die Termine in den Kalender ein. Überprüfen Sie, ob es tatsächlich in Ihren Tagesablauf passt. Wenn es das nicht tut, geht es vielleicht auch eine Nummer kleiner: zum Beispiel einen Yogakurs, vielleicht nur an einem einzigen Nachmittag, buchen; statt Joggen einfach mal eine Runde spazieren gehen; und statt des großen Familienfests Angehörige anrufen und wenn möglich ein Treffen vereinbaren.