1. Niemals für andere aufräumen (außer sie sind Kleinkinder)
Du wünschst dir Ordnung und Struktur aber dein*e Partner*in zieht einfach nicht mit? Klar ist es frustrierend, die einzige ordnungsliebende Person im Haushalt zu sein. Trotzdem, eine Sache darf nicht passieren: Dass du für sie aufräumst! Wie bereits in diesem Blogartikel erwähnt, ist das eine Falle, in die du nicht treten solltest! Ordnung schaffen (und auch halten) ist etwas, das man nur erreicht, wenn man intrinsisch dazu motiviert ist. Es muss von der Person kommen, sie selbst muss es wollen. Manche Menschen kommen besser mit dem zurecht, was wir Ordnungsphilen bereits als Chaos bezeichnen würden. Deren privaten Dinge durchzusehen, aufzuräumen und im schlimmsten Fall vielleicht sogar zu entsorgen, ist, wenn es ohne Erlaubnis geschieht, anmaßend bis übergriffig. Mag sein, dass deine zweite Hälfte deine Kontrollsucht erträgt, es ihm oder ihr egal ist, dass du in seinen/ihren Schubladen wühlst und entscheidest, was bleiben und was gehen darf. In der Regel finden Familienmitglieder dieses Vorgehen aber nicht so prickelnd. Oder würdest du wollen, dass jemand eigenmächtig darüber entscheidet, was in deinem Leben bleiben darf und was nicht? Geschieht die Aufräumaktion mit Erlaubnis, ist sie allerdings auch nicht besonders sinnvoll, denn das Ziel, mit einer ordentliche(re)n Person zusammenzuleben, wird so nicht erreicht. Die Folge davon ist vielleicht eine kurzfristige Aufgeräumtheit. Aber auch eine Doppelbelastung auf deiner Seite, die sich immer wieder reproduzieren wird. Außerdem wird jegliche Chance darauf, dass dein*e Partner*in selbst zum Aufräumen motiviert wird und vielleicht sogar lernt, wie man Ordnung hält, gen Null minimiert. Also, kümmere dich so gut es geht um deinen Besitz, bringe Ordnung in deine sieben Sachen und bei Bedarf auch in die gemeinschaftlich genutzten. Aber bitte siehe davon ab, den Kram der anderen auszumisten!
2. Als gutes Beispiel vorangehen
Viel besser, da arbeitserleichternder für dich und effektiver was das Ziel angeht, ist es, wenn du der mit dir zusammenlebenden Person ein Vorbild bist. An den anderen herumkritisieren und nörgeln ist einfach, aber hast du dir auch schonmal an die eigene Nase gefasst? Was hast DU unter dem Bett liegen? Wann hast DU das letzte Mal diese Schuhe angehabt oder dieses Geschirr benutzt? Sprich: Frag dich selbst, was du bereits dazu beiträgst, dass Ordnung in eurem Zuhause einzieht. Welchen Routinen gehst du nach, um die Ordnung auch zu halten? Erwarte von der anderen Person nicht, dass sie einen Schritt geht, den du noch nicht gegangen bist. Fang bei dir selbst an, be the change you wanna see in the world (or in your home)! Und dann, zweiter wichtiger Punkt: Versuche, das Thema Aufräumen positiv zu konnotieren. Bei vielen Menschen weckt das Thema negative Assoziationen, Druck und zu hohe Erwartungen sind hier fehl am Platz. Selbstverständlich soll dein*e Partner*in gleichberechtigt im Haushalt mithelfen, darum geht es nicht. Aber um seine eigenen Dinge in Ordnung bringen zu wollen, muss ein Mensch, der diese Anlage vielleicht nicht von Haus aus mitbringt, motiviert werden. Wenn du frischen Wind ins Zuhause bringst, coole Ordnungshacks und Ideen umsetzt, kann das auch deine Mitmenschen inspirieren. Stell dir vor, dein Partner oder deine Partnerin hätte es wirklich geschafft, aufzuräumen und diese Ordnung zu halten und das alles sogar mit Spaß und Leichtigkeit. Dann würdest du doch auch wollen, was er/sie hat, oder nicht? Tatsächlich beginnen viele dann von ganz allein, ihren eigenen Kram aufzuräumen.
3. Sich selbst nicht als Maßstab der Dinge sehen
In ihrem Buch Von Juden lernen kritisiert Mirna Funk die Dating-App OKCupid. Das Besondere bei OKCupid ist, dass man Fragen aus allen möglichen Lebensbereichen beantwortet und aus den Antworten dein Profil generiert wird. Wenn du anschließend auf die Suche nach potenziellen Dates gehst, wird dir nicht nur das Profil der/des anderen angezeigt, sondern jeweils auch die Übereinstimmung mit deinen eigenen Antworten. Die Idee ist, dass man sich gar nicht erst mit einer Person zu treffen braucht, die eine geringere Übereinstimmung als, sagen wir, 80 Prozent mit einem selbst hat. Natürlich ist die „Schmerzgrenze“ individuell, du kannst die Prozentangabe auch vollständig ignorieren und trotzdem die Person daten. Aber grundsätzlich ist die App so angelegt, dass du Leute kennenlernst, die ziemlich genauso ticken wie du selbst. Was auf den ersten Blick ganz schön klingt, ist auf den zweiten recht gruselig: Ich soll mich nur noch für Klone meiner selbst interessieren? Mirna Funk findet, dass die Vorstellung davon, dass da draußen jemand ist, der genauso ist wie wir selbst, von narzisstischem Verlangen zeuge. Und bei aller Selbstliebe, Narzissmus ist uncool, da sind wir uns einig, oder?
Wenn ich meine Maßstäbe anlege, weil ich denke, dass sie die besten sind; wenn ich die anderen kontrolliere, damit sie die Dinge so machen, wie ich es für richtig halte; wenn ich jemanden dafür kritisiere, dass er etwas nicht so macht, wie ich es will – dann sind das Indizien dafür, dass ich alles nach meiner Pfeife tanzen lassen will. Versteh mich nicht falsch, es ist leicht, anzunehmen, dass die anderen dieselben Prioritäten haben wie wir selbst. Ich gebe schamlos zu, dass es mir unglaublich schwerfällt, meinen Partner einfach mal machen zu lassen. (Weil: Ich habe doch die viel bessere Methode; ich habe viel mehr Erfahrung; ich habe einfach ein Auge dafür; whatever…) Aber ist es nicht recht unwahrscheinlich, dass wir wirklich immer alles besser wissen als andere (Erwachsene)? Ist es nicht vielmehr so, dass viele Wege nach Rom führen? Dass es andere Arten gibt, eine bestimmte Aufgabe – und sei es die, einfach klarzukommen im Leben – zu bewältigen? Lasst uns alle die kleinen narzisstischen Flecken auswaschen, die unsere Persönlichkeit beschmutzen. Und stattdessen einsehen, dass wir nicht in allem Expertinnen sind und nicht immer die Heldin spielen müssen (und sei es, weil wir die andere Person nie Expertin oder Held sein lassen)!
4. Das Anderssein akzeptieren und schätzen lernen
„Nicht nur auf politischer und ethischer Ebene hält man den anderen als anderen nicht mehr aus, sondern nun auch innerhalb der intimsten zwischenmenschlichen Beziehung. Der andere soll ich selbst sein. Wie schrecklich.“ Mirna Funk – Von Juden lernen
Und hiermit noch einmal zurück zur Dating-App: Es ist cool, Gemeinsamkeiten zu haben, keine Frage. Aber möglichst identisch zu sein, kann doch nicht das oberste Ziel bei der Partnersuche sein. In einem guten Leben gibt es durchaus Reibung. Es ist wichtig, die Andersheit des Anderen nicht als Affront, nicht als Angriff auf die eigene Individualität misszuverstehen, sagt Funk. In der Andersartigkeit liegt doch gerade das Besondere.
Wenn es um Literatur im Deutschunterricht geht, wird häufig von der sogenannten Ambiguitätstoleranz gesprochen. Der Begriff meint die Fähigkeit, mit Andersartigkeit (= Ambiguität) umgehen zu können. Indem wir von diversen Lebensrealitäten lesen, werden wir toleranter dem anderen gegenüber. Das Leben und Wohnen mit einer anderen Person ist die reine Ambiguitätserfahrung! Denn seien wir mal ehrlich: Jemanden zu finden, der genauso ist wie wir selbst, ist einfach unrealistisch. Nehmen wir unsere Liebsten einfach als Sparringspartner, um im Leben weiterzukommen. Auch wenn es erstmal paradox und ultraschwierig klingt: Versuche, in dem Anderssein deines Partners oder deiner Partnerin etwas Positives zu sehen. Embrace it!
5. In einen echten Dialog eintreten (nicht nur mit deinen Dingen)
Für Marie Kondo ist das Aufräumen wie ein Gespräch mit unserem Besitz. Indem wir sie genau anschauen, durchgehen und bei Bedarf ausmisten, treten wir in einen Dialog mit den Dingen um uns herum. Wenn wir uns – im wahrsten Sinne des Wortes – auf Augenhöhe mit unseren Dingen begeben, sind wir offen für ein „Gespräch“ mit ihnen. (Symbolisch steht das Gespräch hierbei für so etwas wie die leisen Empfindungen, die wir auf den jeweiligen Gegenstand projizieren und die ihn uns entweder behalten oder aussortieren lassen.)
Genauso wichtig, wenn nicht viel wichtiger, ist es, sich auf Augenhöhe mit dem eigenen Partner, der eigenen Partnerin zu begeben. Auch und gerade beim Thema Ordnung. Offen in ein Gespräch reinzugehen, ohne Voreingenommenheit, ohne Verurteilung. Kommunikation ist das A und O!
Frag den/die andere doch mal:
- Was genau bedeutet Ordnung eigentlich für dich?
- Was verstehst du unter einem aufgeräumten Wohnzimmer?
- Wann empfindest du die Küche als sauber?
- Wann ist der Mülleimer voll für dich (und somit raustragenswert)?
Für meinen Partner und mich war dieses Gespräch unheimlich erleichternd. Ich hatte bis dahin stets das Gefühl, dass – Achtung, Klischee, ich weiß – immer nur ich den Müll rausbringe und mein Freund die volle und stinkende Mülltüte einfach ignoriert. Erst im Gespräch fanden wir heraus, dass wir unterschiedliche Maßstäbe ans „Vollsein“ des Mülles setzten. Für mich war der Müll einfach schon wesentlich früher voll, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem mein Freund wahrscheinlich noch drei weitere Wochen fröhlich den Eimer befüllt hätte. Er hätte also locker den Müll rausgebracht, empfand diesen jedoch noch nicht als voll. Und jedes Mal kam ich ihm beim Raustragen zuvor, was verhinderte, dass er jemals seine Müllraustragekompetenz beweisen konnte. Dieses Gespräch war vielleicht nicht besonders romantisch. Aber irgendwie dann doch: Denn wir erkannten, dass wir einander nichts Böses wollten. Wir realisierten, dass unsere unterschiedlichen Standards die Quelle vom Streit und vom Sich-ungerecht-behandelt-fühlen waren. Wir erkannten, dass es keine objektive Wahrheit gibt. Nur subjektive. Und dass man niemals wissen kann, wie die subjektive Wahrheit der anderen Person aussieht, und deswegen immer kommunizieren muss. Fragen muss, darüber ins Gespräch kommen muss.
Auch Oskar Holzberg, berühmter Paartherapeut aus Hamburg mit eigener Kolumne in der Brigitte, widmet in seinem lesenswerten Buch Liebe braucht Liebe dem Thema Ordnung ein ganzes Kapitel. Denn er weiß, dass dieses ein hohes Konfliktpotenzial birgt. „Im Paar treffen zwei Systeme zusammen, die ganz unterschiedlich, aber unumstößlich bestimmen, was wo richtig und wo falsch liegt.“ Holzberg führt ein Beispiel dafür an, dass unsere Ordnungs- und Sauberkeitsbedürfnisse individuell sind:
„Jens kriegt die Krise, wenn drei schmutzige Gläser auf dem Couchtisch stehen. Claire findet das eher gemütlich. Sie kann auch dreckige Kinderjeans einen Nachmittag lang auf dem Flur liegen lassen, bevor sie die Waschmaschine sauber frisst. Für Jens grenzt das an Körperverletzung. Wann ist was ordentlich? Sind Wollmäuse akzeptable Mitbewohner?“
Das Problem ist dabei weder seine ausufernde Schuhsammlung noch ihre Haare im Abfluss. Das Problem liegt in der Kommunikation und im Miteinander. „Das Problem ist Respekt, ist Achtung.“, sagt Oskar Holzberg, und „Ordnung ist in Partnerschaften ein riesiger Konfliktpunkt. Er lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Ordnung ist einer der unlösbaren Paarkonflikte, der sich nie auflösen wird. Wir können nur klären und verstehen. […] Wenn wir die Gefühlswelt unserer Partnerinnen nachvollziehen können, wird es leichter, unvollständige Lösungen zu finden und zu umarmen. […] Vollkommen wird die Lösung niemals sein. Aber lebensfähig.“
Und ganz klar sagt Mirna Funk: „Der Wunsch nach einem kompatiblen, weil unkomplizierten Lebenspartner, der Konfliktfreiheit in der Beziehung gewährleistet, muss aufgegeben werden.“
Lasst uns stattdessen unseren Partner*innen mit Respekt begegnen und (wieder) mehr miteinander reden!
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