#5: (Ver)Sammlungsrecht für alle! Warum Sammeln und Ordnung gut zusammenpassen

Du wünschst dir ein ordentliches Zuhause? Dann fang endlich mit dem Sammeln an! Wie, du kennst die Vorzüge einer gut kuratierten Sammlung noch nicht? Lies nach, warum Sammlungen jedem minimalistischen Trend trotzen und gleichzeitig ziemlich minimalistisch sein können. Und warum du bloß nicht deine Schallplattensammlung auflösen solltest...

Ordnungscoaches fragen sich immer wieder, wie am besten mit Sammlungen zu verfahren sei. Was sollte man machen, wenn die Sammelwut eines*r Kunden*in so groß ist, dass die Sammlung weite Teile der Wohnfläche einnimmt? Für mich klingt das so, als wäre die Sammlung ein Problem, das die Ordnung stört. Ich hatte noch nicht mit ausufernden Sammlungen zu tun, weshalb ich mich mit dem Thema nie wirklich auseinandersetzte. Aber zugegeben, auch ich hatte ein Bild von Sammlungen im Kopf, dem im wahrsten Sinne des Wortes Staub anhing: Sammler (und ja, ich dachte dabei eher an Männer) sind Leute, die eine Leidenschaft für – aus meiner Sicht – tendenziell langweilige Dinge hegen wie zum Beispiel Briefmarken, Münzen oder Comics von Asterix und Obelix. Denn was kann man schon außer besitzen und abstauben mit solchen Dingen machen? Dass das Thema Sammeln viel diverser und spannender ist, als ich dachte, sollte ich erfahren, als ich vor Kurzem eine der bekanntesten Sammlungen Deutschlands besuchte.

Große Sammlungen

Zurzeit kann man in der Hamburger Kunsthalle eine Ausstellung anlässlich des 250. Geburtstages des Künstlers Caspar David Friedrich besuchen, die mehr als 160 seiner Werke sowie zusätzlich Werke anderer Künstler*innen umfasst. Ich besuchte die Ausstellung mit Freunden an einem Donnerstagabend, an dem das Museum rappelvoll war. Da es bei so vielen Menschen nahezu unmöglich war, in Ruhe jedes Bild anzuschauen, beziehungsweise ich keine Lust und nicht die nötige Sehstärke hatte, um aus fünf Metern Entfernung ein Gemälde mit millimeterkleinen Details anzuschauen, suchte ich mir eine andere Beschäftigung: Das Beobachten der Menschen. Ich war gerade in meine Beobachtungen vertieft, als ich an einer Wand einen Text über Sammlungen und das Sammeln allgemein bemerkte. Er sprach nicht nur von der Leidenschaft des Sammelns, sondern auch von Charakterformung, Gehirntraining und wofür das Sammeln noch alles gut wäre. Das weckte mein Interesse, schließlich hatte das Sammeln bei mir bis dato ein eher staubiges Image. Zudem hatten auch meine Beobachtungen ergeben: Auch wenn sie alle sehr unterschiedlich waren, eins hatten die Besucher*innen der Ausstellung alle gemeinsam: Sie bezahlten Geld und nahmen sich einen Abend frei, um sich eine Sammlung anzuschauen. Wenn große Sammlungen sich solcher Beliebtheit erfreuen, warum sollten die kleinen, privaten dann verschmäht werden?

Kein Sammelsurium

Also, lasst uns das Thema etwas genauer anschauen. Erstens kann festgehalten werden, dass grundsätzlich ALLES gesammelt werden kann und bestimmt auch von irgendwem gesammelt wird. Die Leidenschaft hört dabei keinesfalls bei Briefmarken auf, gesammelt werden auch Autogramme, Stofftiere, Musik, Pflanzen, Tüten – was auch immer. Ich selbst habe als Kind Servietten gesammelt. Ganz normale Papierservietten, deren Muster ich schön fand (und ja, auch wenn ich das Sammeln längst aufgegeben habe, gibt es die Stapel Servietten heute noch, ohne dass ich konkret wüsste, wozu ich sie benutzen soll). Zweitens ist Sammeln unabhängig vom Geschlecht möglich (wie schön!), weshalb es natürlich nicht nur Männer gibt, die diese Leidenschaft hegen (s. mein eigenes Beispiel). Drittens gibt es unterschiedliche Beweggründe für das Sammeln: Manche betreiben das Sammeln fast schon professionell als Wertanlage (da stehe ich mit meinen Servietten nicht so gut da), andere aus Nostalgie oder einfach, weil sie das Hobby mögen. Aber was für mich das Entscheidende war, um den negativen Beigeschmack wegzuradieren, den ich selbst dem Sammeln gegeben hatte, ist die Tatsache, dass eine Sammlung eben kein Sammelsurium ist.

Das Wort Sammelsurium wird von Duden definiert als „etwas, was sich mehr oder weniger zufällig beieinander findet und von unterschiedlicher Art und Qualität ist“, Synonyme seien „Allerlei“ oder „buntes Durcheinander“ – also genau das, was wir beim Aufräumen immer so gerne beseitigen wollen. Und das komplette Gegenteil einer Sammlung! Eine Sammlung zeichnet sich eben gerade durch ein absichtsvolles Vorgehen (im Unterschied zur planlosen Zufälligkeit eines Sammelsuriums) aus. Eine Sammlung ist keine willkürliche Anhäufung von Dingen, über die man die Kontrolle verloren hat. Im Gegenteil werden für eine Sammlung die Dinge meist in einer bestimmten Ordnung zusammengetragen. Außerdem vereint eine echte Sammlung Elemente gleicher Art mit meist hoher Qualität. Doch das Thema kann noch mehr Pluspunkte sammeln…

Tugenden des Sammelns

In einem interessanten Artikel für das Onlinemagazin kultur.west schreibt Diplom-Psychologe Dr. Jens Förster über das Sammeln, es habe Erlebnischarakter und es würde Spaß und sogar glücklich machen. Eine wichtige Komponente sei auch, dass es gleich zwei unserer Grundbedürfnisse – nämlich das nach Gemeinschaft und das nach Selbstwert – erfülle, indem es einerseits eine Verbindung herstelle zu Peers, die das Gleiche sammeln und mit denen man sich darüber austauschen kann, und andererseits die Individualität durch die Einzigartigkeit der eigenen Sammlung betone. Sammeln sei zudem ein starker Ausdruck von Identität, der beständig ist – meist über einen langen Zeitraum – und dem Modeerscheinungen in der Regel nichts anhaben können. Mir wird beim Lesen immer klarer, dass Sammeln und Ordnung eher Hand in Hand gehen, ja, dass Sammeln sogar minimalistische Züge haben kann. Jetzt wird die ein oder andere sagen: Moment mal, wie kann eine 3000 Überraschungseierfiguren umfassende Sammlung minimalistisch sein? Naja, in den Werten, die dahinterstecken. Gut, bei Ü-Eiern weiß ich es tatsächlich nicht, aber bei vielen Sammlungen geht es ja gerade nicht um Instant Gratification und willkürliches Anhäufen von Kram. Zunächst einmal entscheidet man sich bewusst für etwas, was man sammeln möchte. Oder es ist mehr ein Bauchgefühl, das man hat und das einen zu bestimmten Dingen hinzieht. Auf jeden Fall sammelt man etwas, weil es joy sparkt. Das ist schonmal ein sehr wichtiger Punkt. Ich glaube, wenn jemandem die eigene Sammlung keinen Spaß mehr machen würde, würde er oder sie einfach aufhören (es sei denn, es handelt sich um krankhaftes Sammeln, was es natürlich auch geben kann, aber darum soll es hier nicht gehen). Als nächstes muss man ein ziemlich konkretes Konzept davon im Kopf haben, was in die Sammlung passen könnte und was nicht. Gerade für Kinder, die vielleicht gerade anfangen etwas zu sammeln, kann das schon eine tolle gedankliche Leistung sein. Man fragt dann nämlich automatisch auch nach der Qualität der Sache. Den meisten Sammler*innen ist nämlich nicht so sehr die Quantität wichtig, sondern eben der Wert der Objekte. Es ist daher üblich lange, mitunter sehr lange, zu warten, bis das nächste Sammlerstück gefunden ist. Das Ausrichten auf die eigene Freude, das bewusste Entscheiden, was man anschafft, und das geduldige Warten bis zum perfekten Gegenstand sind Tugenden, die für ein aufgeräumtes Zuhause von großem Wert sind.

Neue Kollektion gefällig?

Sammler*innen kümmern sich in der Regel auch gut um ihre Schätze. Das heißt, sie werden hübsch präsentiert, zumindest aber pfleglich aufbewahrt, staubfrei gehalten, anderen gezeigt oder auf andere Art wertgeschätzt. Auf jeden Fall ist man stolz, und das bekommen die Dinge auch zu spüren. Sammeln ist eine vielschichtige Leidenschaft, die zu einer hohen „Selbstkomplexität“ beitrage, wie Förster es formuliert. Eine Leidenschaft, die uns dazu anrege, neues Wissen zu erlangen und gleichzeitig auch so etwas wie „ein Puffer gegen Krisen und Stress“ sein kann. Das ist doch toll, denke ich mir. Und es erscheint daher nur logisch, dass das Sammeln jeglichen minimalistischen Trends trotzt und sich seit jeher großer Beliebtheit erfreut. Ich plädiere für ein (Ver)Sammlungsrecht für alle. (Ver)Sammelt um euch herum, was ihr liebt. Warum solltet ihr in eure Leben etwas anderes lassen als Unikate und qualitativ hochwertige Gegenstände, die perfekt passen? Wenn ihr all eure Gegenstände wie Sammlerstücke behandelt, seid ihr perfekt vorbereitet, um jeglicher Unordnung vorzubeugen. Lasst euch inspirieren und inspiriert andere, indem ihr wieder mehr kuratiert, was ihr besitzt.

 

Hat dir dieser Beitrag gefallen? Auf meinem Blog schreibe ich regelmäßiger als in der Ordnungswelt. Schau doch mal vorbei auf www.suddenlyisee.de

 

Sich sammeln

Und Zu guter Letzt gibt es eine weitere Bedeutung des Wortes sammeln. Wenn man es nämlich reflexiv verwendet und sich selbst sammelt, meint es, dass man nach einer gewissen inneren Ruhe sucht. Klassischerweise sammelt man sich vor einer herausfordernden Situation wie dem Halten einer Rede, oder einer Situation, die Konzentration erfordert, wie zum Beispiel eine Prüfung. Sich sammeln heißt, man begibt sich in einen Zustand der Kontemplation, in dem man sich geistig in etwas vertieft. Bereits in diesem Blogartikel schrieb ich über das sich Sammeln in Verbindung mit der herbstlichen Stimmung im Oktober und dem Blättersammeln. Ich finde diese Analogie zum Schluss noch einmal sehr schön: Wenn wir eine Sammlung beginnen, erweitern und pflegen, begeben wir uns selbst in eine ruhige Stimmung, üben wir uns in Einkehr. Eine Sammlung zu kuratieren, kann uns friedliche Momente schenken, in denen wir ganz bei uns selbst sind. So wird das Polieren von Pokalen oder das Einkleben von Stickern in ein Stickerheft zur andächtigen Tat, ja fast schon zur Meditation.

 

Mein Fazit

Sammeln…

  • fördert das Gemeinschaftsgefühl
  • ist ein Ausdruck der Identität
  • stärkt den Selbstwert und erhöht die Selbstkomplexität (Extragehirnzellen inklusive!)
  • ist ein Erlebnis, das Spaß macht
  • regt zur Wissenserweiterung an
  • kann ein Puffer gegen Krisen und Stress sein
  • trainiert die Ausrichtung auf die persönliche Freude
  • schult das Verständnis von Ordnung
  • macht glücklich!

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